Das größte Unglück
in der Bergwerksgeschichte von Stockheim
Donnerstag, 5. September 1872 — Was geschah damals, am 5. September 1872? Aus den Protokollen entnahm der „Heimatkundliche Arbeitskreis Stockheim" von den damals Überlebenden viele Einzelheiten: Es ist Mittwoch, 4. September 1872. Die Männer der Nachtschicht der Steinkohlengrube „Vereinigter Nachbar" in Stockheim, die dem Kaufmann Felix Schaller von Kronach gehört, suchen in der dunklen Nacht den Weg nach Stockheim. Von Haßlach und Haig, von Breitenloh, Rottelsdorf, Welitsch, Wil-helmsthal, ja sogar aus Hesselbach machen sie täglich den beschwerlichen Weg zu ihrer Arbeitsstätte. Sie stapfen über den mit großen Löchern übersäten Weg in den „Zinnrück". Über den Berg kommen u. a. auch Friedrich Löffler aus Buch und Albert Schubert und Adam Wicklein aus Neuhaus. Vier Stockheimer Bergleute gesellen sich noch zu ihnen. 27 Kumpels steigen um zehn Uhr abends in den dunklen Schoß der Erde. Die Hälfte von ihnen wird man am nächsten Morgen früh nur tot wieder ans Tageslicht bringen.
Gegen 1.45 Uhr bemerkte der Grubenzimmerling Johann Wachter von Grümpel einen stark beißenden Rauch. Er suchte die beiden Feuerwächter Johann Kaiser und Peter Weber und fand sie schlafend an. Diese bemühten sich sofort Löschwasser herbeizuschaffen. Er selbst kroch zum Schacht hin. Dann wurde er bewußtlos. Schichtmeister Marschall fand ihn und schleppte ihn zum Schacht. Viele Helfer fuhren ein. Sie retteten noch zwölf bewußtlose Kumpels vor dem Gastod.
Bei Anbruch des neuen Tages konnte man das große Unglück überblicken. 13 Bergleute lagen tot in den Stollen, einer wurde noch vermißt. Man fand ihn erst Tage später. Als man sie nach oben in die Waschkaue gebracht hatte, stellte man erst ihre Namen fest. Elf Familienväter starben durch Brandgase den Bergmannstod. Elf Ehefrauen und 33 Kinder weinten um ihre Ernährer. Am Tage der Beerdigung, zwei Tage später, gebar die Witwe von Caspar Glaser aus Hesselbach, Barbara, geb. Rab, ihr erstes Kind, eine Tochter; Barbara Nicol aus Stockheim war im dritten Monat schwanger. Drei junge, ledige Kumpels waren ebenso den Bergmannstod gestorben.
Die verheirateten Toten waren:
Xaver Welscher aus Haßlach, 32 Jahre; Johann Nicol, Stockheim, 46 Jahre; Johann Fugmann, Breiten-loh, 56 Jahre; Albert Schubert, Neuhaus, 50 Jahre; Paul Wich, Wilhelmsthal, 35 Jahre; Martin Schmidt, Wilhelmsthal, 35 Jahre; Caspar Glaser, Hesselbach, 30 Jahre; Johann Kreul, Haig, 48 Jahre; Peter Weber, Stockheim, 35 Jahre; Friedrich Löffler, Buch bei Neuhaus, 40 Jahre; Friedrich Heinlein, Stockheim, 36 Jahre.
Die Ledigen:
Michael Fehn, Rottelsdorf, 24 Jahre; Adam Wicklein, Neuhaus, 32 Jahre; Johann Kaiser, Stockheim, 24 Jahre.
Im Januar 1873 erhielt jede Witwe 600 fl, für jedes Kind nochmals 200 fl, die hinterbliebenen Eltern je 300 fl.
Die 13 Geretteten waren:
Andreas Stalph, Breitenloh, Georg Schrözzel, Buch bei Neuhaus, Lorenz Konrad, Welitsch, Ernst Räder, Neuhaus, Reinhard Räder, Neuhaus, Georg Kalb, Neukenroth, Johann Eisentraut, Neuhaus, Emil Eisentraut, Neuhaus, Franz Danzmeier, Rotheul, Peter Fehn, Rottelsdorf, Johann Renk, Hesselbach, Georg Renk, Hesselbach, Johann Wachter, Grümpel.
Brände an der Tagesordnung:
Bei den Untersuchungen über das Unglück stellte sich heraus, daß diese Brände in den Stockheimer Gruben an der Tagesordnung waren. Bereits im August 1871 war im „Vereinigter Nachbar" ein großer Brand ausgebrochen, den man aber eindämmen konnte. Diese Schwelbrände entstanden meist durch Selbstentzündung der Bergversatze. Man versuchte durch Vermauerung des Brandfeldes und durch Aufstellen von Feuerleuten diesem Übel vorzubeugen, was — wie dieses schwere Unglück bewies - nicht immer gelang. In der stickig-warmen Luft sind wahrscheinlich die beiden Feuerwächter eingeschlafen, was ihnen und zwölf weiteren Kumpels den Tod bedeutete.
Vereinigte Nachbarn Bildtafel im Ziegenrück
Karte Buchstabe I Gebiet der Grube Vereinigte Nachbarn